Der 9. Dezember 2019 beginnt mit einem kleinen Eklat. Und er endet mit einer Revolution, die für gröbere Verstimmung sorgt.Athabasca hat geschrieben: ↑10.03.20 @ 15:10 Hat zwar nur indirekt mit uns zu tun. Wäre trotzdem toll, wenn ein Abonnent den Text zu diesem Aritkel:
https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fuss ... y/13306103
hier einfügen könnte. Vielen Dank.
An diesem Tag trifft sich erstmals eine Arbeitsgruppe, die den besten Modus für eine Super League mit neu zwölf statt zehn Teams finden soll. Die Runde aus Vertretern von Clubs der zwei höchsten Schweizer Ligen bittet gleich zu Beginn Ligapräsident Heinrich Schifferle, den Raum zu verlassen. Die Spitze der Swiss Football League ist so nicht anwesend an diesem Tag, der eine kaum vorhersehbare Wendung nimmt.
Am Ende der Sitzung wird eine neue Ligenstruktur vorgeschlagen, die die Schweizer Fussball-Landkarte neu zeichnen würde: 14 Clubs in der höchsten Liga, die zugleich die einzige professionelle Spielklasse wäre. Dazu die Abschaffung der Challenge League. An ihre Stelle sollen zwei semiprofessionelle Zwölferligen treten, in denen auch die besten U-21-Teams der Schweiz dabei sind.
Die Vereine der Challenge League sind so erbost über die Pläne, dass sie ihren Vertretern in der Gruppe gar «mit sofortiger Wirkung das Mandat» entziehen.
Nur neun Tage nach diesem Coup wird die Arbeitsgruppe durch das Komitee der Swiss Football League aufgelöst. Die Vereine der Challenge League sind so erbost über die Pläne, dass sie ihren Vertretern in der Gruppe gar «mit sofortiger Wirkung das Mandat» entziehen. So steht es im Brief, den Ligapräsident Schifferle und FC-Zürich-Präsident Ancillo Canepa einen Tag vor Heiligabend an die 20 Clubs der SFL verschicken.
Jeder schaut zuerst auf sich selbst
Die Vertreter der Challenge League, auf die ihre Liga-Konkurrenten so wütend sind, heissen Lausanne und Grasshoppers. Ihr Ja für die Abschaffung der eigenen Liga ist aus ihrer Sicht verständlich. Natürlich sehen sie sich als logische Mitglieder einer neuen Topspielklasse mit 14 Teams.
Ihr Abstimmungsverhalten steht ebenso exemplarisch für die aktuelle Verfassung des Schweizer Spitzenfussballs wie die unmittelbare Auflösung der Arbeitsgruppe: Die meisten Clubs schauen zuallererst einmal für sich. Den grossen Gesamtblick wagt kaum einer.
Und so wird wohl am 16. März die nächste Modusänderung verworfen werden, die eigentlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
Und so wird wohl am 16. März die nächste Modusänderung verworfen werden, die eigentlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Abgestimmt wird über das «schottische Modell», bei dem zwölf Clubs in der obersten Liga mitspielen und nach 33 von 38 Runden in zwei Gruppen aufgeteilt. In einer wird um die Meisterschaft gespielt, in der anderen um den Abstieg.
Es ist ein Vorschlag geboren aus der Not. Irgendwie sind die Clubs in ihrer Meinungsbildung noch nicht weiter als 2017, als sie eine Firma neue Modus-Ideen ausarbeiten liessen. Über zwei Jahre lang hat der Schweizer Spitzenfussball getrödelt.
Der neue TV-Vertrag zementiert den Modus für vier, fünf Jahre
Nun drängt die Zeit: Im zweiten Quartal 2020 muss die Liga die Ausschreibung für den neuen Fernsehvertrag starten. Und die TV-Stationen wollen zuvor wissen, wie viele Spiele von wie vielen Teams sie übertragen können. Ist der TV-Vertrag erst einmal ausgeschrieben, ist der Modus für mindestens vier Jahre fixiert.
Das schottische Modell aber hat so viele Fragezeichen und mit Basel und den Young Boys so gewichtige Gegner, dass sich die Frage stellt, warum es die einzige Variante ist, über die abgestimmt wird. Andreas Mösli etwa ist zwar wie die Mehrheit der Vereine Befürworter einer Zwölferliga. Aber für den Geschäftsführer des FC Winterthur steht fest: «Die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Modusänderung gibt es nicht. Weil es nur heisst: Schottland oder nichts.»
«Die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Modusänderung gibt es nicht. Weil es nur heisst: Schottland oder nichts»
Andreas Mösli, Geschäftsführer FC Winterthur
Andere, wie Thuns Präsident Markus Lüthi, orten grundsätzlichere Probleme. Und zwar nicht bei den Clubs – sondern bei der Ligaspitze. In einem Brief an alle Vereine der SFL beklagt er «ungenügende Herleitungsqualität». Und wirft damit der Liga vor, sie habe zu wenig Vorarbeit geleistet, bevor sie das Modell Schottland zur Diskussion stellte. Der implizit kritisierte Schifferle sagt dazu nur: «Das ist eine Betrachtung des FC Thun, die ich nicht kommentieren möchte.»
Verteil- und Grabenkämpfe aus Angst vor Verlusten
Der Ton verschärft sich gerade. Der Schweizer Spitzenfussball steht durch die im restlichen Europa explodierenden TV-Gelder so stark unter Druck wie wohl kaum einmal. Eine berechtigte Verlustangst bringt Verteil- und Grabenkämpfe mit sich – und die beschränken sich nicht auf die Liga.
Eben erst haben sich die Proficlubs der SFL in einem Machtkampf innerhalb des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) durchgesetzt. Auf ihren Druck hin unterstehen neu alle Nachwuchs-Nationalteams Pierluigi Tami, dem neuen Direktor der Schweizer Nationalmannschaft. Tami verspricht, dass künftig bei den Junioren-Auswahlen nicht mehr die Ausbildung oberste Priorität haben soll – sondern Resultate. Er vertritt damit die Interessen der Proficlubs, weil sich der Marktwert eines Talents vervielfacht, wenn es an einer Nachwuchs-Europa- oder Weltmeisterschaft mitspielt.
Wie sollen Talente gefördert werden?
Was scheinbar nichts mit der Ligareform zu tun hat, weist mitten hinein in eines ihrer bislang kaum öffentlich diskutierten Hauptprobleme: Es ist der Kampf zwischen Vertretern der Nachwuchsabteilung beim Verband und einigen Präsidenten von Proficlubs. Es geht darum, wie Talente gefördert werden sollen.
Der FC Basel steht da, nicht ohne Eigennutz, auf der Seite der Ausbildner beim SFV. Er will, dass die besten U-21-Teams der Super-League-Clubs in der Challenge League mitspielen dürfen. Und vertritt damit die Meinung vieler, die im Nachwuchsbereich tätig sind. Sie gehen davon aus, dass der direkte Sprung von der U-18 in die erste Mannschaft immer schwieriger wird.
Einerseits, weil die körperlichen Anforderungen an Spieler steigen. Andererseits, weil sich von den 20 professionellen Clubs der Schweiz mit dem aktuellen Modus 14 bis 15 ständig entweder im Aufstiegs- oder Abstiegskampf befinden. Was sie in der Tendenz davon abhält, unerfahrene Teenager einzusetzen.
Es geht auch um die Zukunft der Nationalmannschaft
Spielen die Talente aber mit der U-21 ihres Clubs wie heute in der Promotion League oder der 1. Liga, fehlen ihnen die Matches, weil Teams dort nur 26 bis 30 Partien pro Saison austragen. Zu wenig, um im internationalen Vergleich zu bestehen. Also sagt ein Insider aus dem Verband: «Meiner Meinung nach hängt vieles davon ab, wie die Nachwuchsspieler in die zweithöchste Liga integriert werden. Nicht zuletzt die Zukunft des Schweizer A-Nationalteams.»
Und doch ist die Teilnahme der Nachwuchsteams an der Challenge League bei all den Reformdiskussionen noch nie ausgiebig besprochen worden. Das ändert sich nun. Am Freitag hat erstmals eine Arbeitsgruppe des Verbands getagt. Sie soll Ideen erarbeiten, wie Nachwuchsteams besser in das Schweizer Ligensystem integriert werden können. Schnelle Antworten wird es keine geben. Die Vorschläge werden auf Mitte 2021 erwartet.