https://www.nzz.ch/sport/fussball/super ... ld.1288416
(Hab's mal rauskopiert, da bisher nur mit Abo abrufbar)
Berneggers Entdeckungsreise
von Bernhard Brunner, Zürich 23.4.2017, 17:12 Uhr
Die Grasshoppers haben sich am Samstag mit dem 4:1-Heimsieg gegen den FC Luzern aus der Krise befreit. Die Stadtzürcher wurden orchestriert von Munas Dabbur und Caio, den «Lovebirds».
Dabbur auf Caio, Caio auf Dabbur, drei Tore, Doppelpässe, Spielereien – am Samstag gegen Luzern spielten die zwei, als gäbe es nur das Duo auf dem Platz.
Eine kleine Rückblende: 0:3 in Lugano Anfang Februar, Winterkälte, GC war endgültig mit ganzer Wucht im Abstiegskampf angekommen, und der damalige Trainer Pierluigi Tami sprach von Angst, die schleunigst aus dem Organismus entweichen müsse. Die Aura um die Grasshoppers verströmte die Botschaft: Das ist eine Krise, in der der Klub versinken könnte.
Heute sieht die Welt rosiger aus. Gut vielleicht auch, dass der neue Trainer, der Argentinier Carlos Bernegger, sich einst mit der Verarbeitung von Traumata auf universitärer Stufe beschäftigt hat. Wie ein kräftiger Seemann hält er das Steuer auf Kurs, kämpft gegen die Strömungen der Vergangenheit. Was erwähnt werden muss, damit der Aufschwung nicht branchenüblich an einer Person festgemacht wird: Bernegger hat auf personeller Ebene Verstärkung erhalten. Der Klub, mit dem CEO Manuel Huber in der operativen Verantwortung, erkannte die Gefahr.
Der Israeli Munas Dabbur ist als Unzufriedener aus Salzburg, Milan Vilotic als Unglücklicher aus Bern zur Mannschaft zurückgekehrt. Und der junge Charles Pickel vom FC Basel kam als Option für das defensive Mittelfeld. Auch sie lassen das Schiff weniger schlingern. Im Nachhinein eine gute Idee, Spieler ins Boot zu holen, die sich danach sehnten, in vertrautem Umfeld wieder Fuss zu fassen.
Spricht man mit Vilotic, verströmt er Energie. Gebeutelt von einer argumentativ fadenscheinigen Abschiebung in den Nachwuchs der Young Boys, ist der Serbe darauf erpicht und erprobt, die Bodenhaftung zu behalten. Für das Team sei es ein Prozess gewesen, zu dieser Charakterstärke zu finden, sagt er. Es habe Zeit gebraucht. «Viele von uns waren aus verschiedenen Gründen nicht in bester Verfassung.» Und Vilotic spricht von der Gefahr, jetzt, nach drei Siegen, nachzulassen, «das wäre fatal». Und er sagt voller Eifer, man müsse weiter daran arbeiten, die Kontrolle über das Spiel zu behalten, wenn sie nicht im Ballbesitz seien. Im Stile von Juventus, «von der Idee her», sagt Vilotic. Man spürt, dieser Mann lebt wieder.
Die Vorsicht teilt Vilotic mit seinem Trainer Bernegger, der schlicht verbot, in der Tabelle nach vorne zu blicken. «Vergessen wir nicht, was vor fünf Wochen war», mahnt er. GC sei instabil, und das ist eine Botschaft, die sich in der Spielanlage spiegelt. Als «nüchtern» bezeichnete Bernegger den Auftritt gegen Luzern, und als «pragmatisch». So sah es aus. Mit einer oder zwei Ausnahmen – je nachdem, ob man die Spieler Dabbur und Caio als einen oder zwei Spieler wahrnimmt.
Verrücktes versuchen
Es gibt diesen GC-Witz. Was ist GC ohne Dabbur? Antwort: GC ohne Caio. In der offensiven Fraktion mit Lavanchy und Andersen begannen die beiden Freunde – in Bezug auf sie kursierte einst intern der Begriff «Lovebirds» –, sich vor dem Tor auszutoben. Dabbur auf Caio, Caio auf Dabbur, drei Tore, Doppelpässe, Spielereien, als gäbe es nur das Duo auf dem Platz. Bernegger sagt, dass die Stabilität diesen Spielern die Freiheit lasse, Verrücktes zu versuchen. Zu fliegen. Aber eben, die anderen Spieler bereiten dafür den Boden.
Bernegger ist zum wiederholten Mal als Retter im GC eingesprungen. Und, wie ist es? «Sie stossen die Kabinentüre auf und gehen auf eine Entdeckungsreise.» Aber jedes Engagement unterscheide sich vom andern. «Und was haben Sie dieses Mal entdeckt?» «Das sage ich Ihnen Ende Saison.»