GC will nicht gross reden, sondern liefern
Vizepräsident Andras Gurovits will für das neue Denken beim abgestürzten Grossclub stehen. Aber wie lange machen die Aktionäre weiter?
Das neue GC pflegt die Gastfreundschaft im Kleinen. Auf dem Tisch liegen frische Gipfeli. Elio Keller hat sie vom Beck seines Vertrauens mitgebracht. Keller ist der neue Leiter Geschäftsstelle auf dem Campus, der Titel ist so unprätentiös, wie es GC sein will. «Es braucht keinen CEO, keinen COO oder sonst einen C», sagt Andras Gurovits. Zusammen mit Keller sitzt er im Sitzungszimmer des Campus.
Sein Titel ist Vizepräsident. Er könnte sich auch interimistischer Präsident nennen, weil ausser ihm im Verwaltungsrat keiner übrig geblieben ist. Alle haben sich davongemacht, als Letzter Stephan Rietiker. Zehn Wochen lagen zwischen Rietikers Vorstellung als Präsident am 27. März und seinem Rückzug am 5. Juni.
Es war eine turbulente Phase: eine laute, weil Rietiker sich keine Goldmedaille für Diplomatie verdiente, und vor allem auch eine teure, weil er zusammen mit seinem teilweise prominenten und grossen Beraterstab über eine Million Franken an Kosten verursacht hat. Gurovits sagt dazu nur, es sei ein «substanzieller Betrag» angefallen.
«150 Prozent für GC»
Gurovits ist also der Mann, der im Auftrag der Grossaktionäre Stephan Anliker und Peter Stüber die strategische Führung des Clubs zu verantworten hat. Er hätte auch sonst genug zu tun, er ist Partner der renommierten Anwaltskanzlei Niederer Kraft Frey an der Bahnhofstrasse, dazu auch Richter am Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne, dem CAS, und Mitglied des Rechtsausschusses des Internationalen Eishockeyverbandes, der IIHF. Aber derzeit arbeite er 150 Prozent für GC, sagt er. Deshalb will er mit den Aktionären eine finanzielle Lösung für seinen Aufwand suchen.
Er ist ein eleganter Mann, hoch aufgeschossen und als aktives Mitglied der Rudersektion von GC durchtrainiert auch mit seinen 59 Jahren. In erster Linie ist er uneitel, zumindest hinterlässt er am Donnerstagmorgen den Eindruck, als es gehe es nicht um ihn, sondern um die Sache, um GC. Darum ist es ihm auch so wichtig, den Weg ausführlich aufzuzeichnen, den GC gehen soll.
Der Antrieb für Gurovits
«Wenn wir ein Team sind, wenn wir hart arbeiten, unsere Werte verfolgen, wenn wir bescheiden, ehrlich und mutig sind, dann kommt der Aufstieg früher oder später.» So sagt er das. Das zentrale Wort dabei: bescheiden. Es steht für die Einsicht, dass die Zeit der Grossmannssucht vorbei sein muss, dass es bei GC nicht mehr darum geht, Rekordmeister zu sein, sondern einzig die Gegenwart zählt. Und die heisst: GC ist in der Challenge League, wie Kriens, Wil oder Chiasso.
Elio Keller hat 30 Jahre für Banken gearbeitet, die UBS und die ZKB. GC hat er seit den 70er-Jahren als Fan begleitet und zur Herzensangelegenheit erklärt. «Und wenn man eine Anfrage erhält, ob man bei GC arbeiten will, und wenn man einen Beitrag zur Gesundung leisten kann, dann braucht man mit der Zusage nicht lange zu überlegen», sagt er. Er ist 62 und kann zupacken. Sein Händedruck ist sehr kräftig.
«Man redet nicht gross, man liefert»Vizepräsident Andras Gurovits
Das Umdenken bei GC bezeichnet Gurovits als Hauptgrund für seinen Antrieb, sich so zu engagieren. Er kennt die Motivation der anderen Sektionen des Clubs, das harte und konsequente Arbeiten auch ohne viel Geld. «Man redet nicht gross, man liefert», sagt er, «wieso soll das im Fussball nicht möglich sein?»
Teure Versprechen
20 Millionen wollte Rietiker als Budget selbst für die kommende Saison. Er stellte sich auf den Standpunkt, ein Super-League-Haushalt sei ihm auch im Fall des Abstieges versprochen worden, um den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen. 20 Millionen hätten bedeutet: Die Aktionäre hätten 14,5 Millionen einschiessen müssen. Das aber wollten sie nicht verantworten.
13,6 Millionen sind Rietiker zu wenig gewesen, um die Personalpläne mit einem neuen Sportchef und einer neuen teuren Achse für das Team umsetzen zu können. Dabei ist das noch immer ein stolzer Betrag für eine Liga, in der Schaffhausen für seine Spieler künftig nur rund 600'000 Franken ausgeben kann.
«Wir wollen aus eigener Kraft stark werden.»Vizepräsident Andras Gurovits
Gurovits blättert in den Papieren, die vor ihm liegen. Darin finden sich die detaillierten Zahlen für das künftige Budget. Um das zu decken, kommen von den Aktionären je 3,25 Millionen. Daneben erwartet der Club Einnahmen inklusive der Transfers von 7 Millionen. Die ersten paar Franken sind durch die Verkäufe von Cédric Zesiger (YB) und Jean-Pierre Rhyner (Cadiz) hereingekommen. Ein substanziellerer Betrag wird durch den Abgang von Nedim Bajrami erwartet, der offenbar bevorsteht.
Diese Personalien passen zum Konzept, das GC pflegen will. Der Club will die Jugend ausbilden und gewinnbringend verkaufen. Oder wie es Gurovits sagt: «Wir wollen aus eigener Kraft stark werden.» Gerade revolutionär ist das nicht. Der Nachwuchs hat die Budgetkürzung überstanden.
Chefscout in der Kritik
Letzte Saison kamen 40 Spieler zum Einsatz, das war absurd. Daran beteiligt war Paul Bollendorff als Chefscout und erster Assistent des früheren Sportchefs Mathias Walther. Die Kritik an ihm ist laut. Gurovits vertraut ihm trotzdem und hat keine Einwände, ihn in einen sportlichen Ausschuss mit Trainer Uli Forte und Ausbildungschef Timo Jankowski zu befördern. Die Kostenfrage hat dabei eine Rolle gespielt. Ohne Walther lässt sich viel Geld sparen. Er bezog einen Fixlohn von 290000 Franken.
Die Idee ist nun, in der Challenge League das Kader mit 23 Spielern zu besetzen. Und weil es trotz aller Jugendförderung nicht ohne Routiniers geht, durfte Forte Veroljub Salatic und Nassim Ben Khalifa auf den Campus zurückzuholen.
Salatic ist keine unproblematische Personalie.
Gerade Salatic ist keine unproblematische Personalie. Als er im Februar 2015 GC Richtung Sion verliess, tat er das mit einem belasteten Ruf. Er war intern suspendiert worden, weil ihm vorgeworfen wurde, gegen den damaligen Trainer Skibbe gearbeitet zu haben. Auf juristischem Weg erstritt er sich das Recht, wieder mittrainieren zu dürfen. Er war zudem der Spieler, dessen Abhängigkeit von seinem Berater problematisch war. Er stand stets im Verdacht, für ihn auf dem Campus Spieler anzuwerben.
Das Gespräch mit den Fans
33 ist Salatic inzwischen, zurück aus Ufa, Russland. Gurovits sagt, er habe die «alten Geschichten» angesprochen. Und er ist überzeugt, dass Salatic «eine solche Machtposition nicht mehr aufbauen kann». Dabei verlässt er sich auf das Wort Fortes, Salatic einschätzen zu können.
Eine Arbeitsgruppe soll nun helfen, Abhilfe zu schaffen.
Gurovits redet lange, er kann auch gut zuhören. Am Ende kommt er noch auf den Mittwoch zu sprechen. Da traf er erstmals vier Fanvertreter. Zweieinhalb Stunden dauerte die Diskussion, wen was beschäftigt. Eines der Probleme, die dabei deutlich geworden sind, betrifft die Kommunikation des Clubs mit den Fans. Eine Arbeitsgruppe soll nun helfen, Abhilfe zu schaffen.
Und dann gibt es noch eine ganz andere Frage für Gurovits: Wie lange machen Anliker und Stüber weiter, nachdem sie sich diesen Sommer bereits mit der Liquidation des Profibetriebs beschäftigt haben? Erste Antworten soll es in diesem Herbst geben. Gerade Anliker sendet Anzeichen aus, sich lieber heute als morgen zurückzuziehen.
Erstellt: 11.07.2019, 21:21 Uhr
https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fuss ... y/31461381