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Weg mit den alten Zöpfen
Im Stil des Sanierers geht GC-Präsident Stephan Rietiker daran, dem Absteiger wieder ein Gesicht zu geben – externe Berater helfen ihm, neues Führungspersonal und neue Spieler zu finden.
«GC, was nun?», sagt Stephan Rietiker an diesem Montagmorgen. Er sitzt in einem Sitzungsraum in einem Hotel im Zürcher Westen. Der Raum heisst Hardturm 2, es ist die Erinnerung daran, dass GC einmal ein stolzer Verein war – mit eigenem Stadion und vor allem mit ganz viel Erfolg.
GC, was nun? Das Ansehen liegt in Trümmern, weil es dieser Verein in den letzten zwölf Monaten noch jedes Mal geschafft hat, einen Tiefpunkt nochmals zu unterschreiten.
Rietiker ist vor gut sechs Wochen als Präsident angetreten, um die Grasshoppers aus dem Schlamassel zu führen, sie haben sich für ihn wie sechs Monate angefühlt. Sein erstes Ziel hiess: den Abstieg vermeiden. Sein nächstes Ziel heisst: sofort wieder aufsteigen. Dafür will er die Hauptaktionäre Stephan Anliker und Peter Stüber überzeugen, das nötige Budget abzusegnen.
Er mag nicht bestätigen, dass es 20 Millionen sind, «da ist noch Luft drin», sagt er. Aber ob es nun 18 oder 19 Millionen sind, es ist noch immer ein horrender Betrag für eine Liga, in der Rapperswil-Jona mit
1,3 Millionen Franken für die Löhne der 1. Mannschaft auskommen muss.
Bei GC reicht das in dieser Rückrunde so gerade noch, um Yoric Ravet und Caiuby zu finanzieren.
Erwartet: Das Geld der Aktionäre
Anliker und Stüber entscheiden in den nächsten Tagen, ob sie auch in der Challenge League bereit sind, ein Defizit von gegen 8 Millionen Franken zu decken. Die Frage ist: Kann Anliker, in den letzten fünf Jahren der Präsident, weiterhin so viel Geld aufbringen wie bisher? Oder sucht er den Abgang durch die Hintertür? Und Stüber? Will er mit einem Nein zum Budget verantwortlich dafür sein, dass GC auf Dauer in der Zweitklassigkeit unterzugehen droht? Oder wird der honorige Unternehmer moralisch so unter Druck gesetzt, dass er nur Ja sagen kann?
Jahr für Jahr hat GC 20 Millionen und mehr verschleudert, ohne Erfolg zu haben. Vielen ist es dabei gut gegangen: Funktionären, Trainern, Spielern.
Der frühere Präsident André Dosé flog zwölfmal auf Kosten des Vereins nach Doha, 1. Klasse. Manuel Huber, noch CEO, flog einmal aus den Ferien in Dubai nur für eine Sitzung zurück nach Zürich, auch auf Kosten von GC, wenigstens Businessclass. Nur dem Verein brachte das nichts.
Rietiker sagt: «Wir müssen offen sein für Neues. Wir müssen den Club reformieren.» Er lässt keinen Zweifel daran, dass er die «alten Zöpfe abschneiden» will. Aus ihm spricht der Sanierer, der er seit Jahrzehnten ist.
Als die Pressekonferenz am Montag zu Ende ist, sagt Stephan Rietiker zu seinem Trainer Uli Forte: «So, jetzt müssen wir an die Arbeit, Uli!» Der Spruch ist plakativ, aber nicht falsch. GC ist eine Grossbaustelle.
Rietiker versieht sein Handwerk ohne Schminke und Romantik. Er hat darum externe Berater zugezogen, die ihm Entscheide vorbereiten. Ein Headhunter gehört dazu, ein Finanzfachmann und ein Kommunikationsexperte, er hat die Basler Bernhard Heusler und Georg Heitz, die vorerst bis Ende Juni in strategischen und sportlichen Fragen ihr Wissen einbringen. Sie alle kosten, allein die alten FCB-Grössen einen sechsstelligen Betrag bis Ende Juni. Auch Rietiker versieht seine Arbeit nicht gratis.
Gesucht: Eine neue Mannschaft
Das neue Führungspersonal wird gesucht. Auf allen Stufen braucht es endlich wieder Kompetenz: im Verwaltungsrat, gerade in sportlichen Themen, wofür Ricardo Cabanas oder Christian Gross geeignet wären. Es braucht einen neuen Verantwortlichen für das Tagesgeschäft und einen Sportchef, der ebenfalls nicht mehr den Eindruck vermittelt, als würde er eigene finanzielle Interessen verfolgen. Rietiker will Wert darauf legen, das Marketing und Sponsoring wieder zu stärken. «Das liegt im Argen», sagt er.
Dabei erhält José M. San José als bisher Zuständiger 220000 Franken im Jahr.
Und eines braucht GC auch noch: eine ganz neue Mannschaft. Der Spielraum ist gross, 13 Verträge laufen im Sommer aus. Von Ravet, Caiuby, Sigurjonsson, Ajeti, Tarashaj, Ngoy, Pinga etc. Und auch von Heinz Lindner. GC möchte den Goalie unbedingt halten, selbst wenn er 515000 Franken verdient. Der Österreicher gibt sich gesprächsbereit, trotzdem würde sein Bleiben überraschen. Die Challenge League kann für die Nummer 1 seines Landes keine wirkliche Herausforderung sein.
Der FCZ muss sich nur fragen, was für Gesindel er in seinem Anhang mitschleppt. (Tages-Anzeiger, 23.10.2021)