Corona

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uhu
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Re: Corona

#31 Beitrag von uhu »

Die Generalprobe

Vielleicht ist unsere Reaktion auf das Coronavirus nur ein Testlauf für die wirkliche Katastrophe, die auf uns zukommt. Eine Spurensuche.

Sven Behrisch
@tagi_magi

Am 29. August 2016 und an den darauffolgenden Tagen ist etwas Merkwürdiges passiert. In Silvan, Victoria, einer kleinen Stadt unweit von Melbourne, lebt die Familie Tromp in der Idylle ihrer Beerenfarm. Sie sind zu fünft, Vater, Mutter und drei erwachsene Kinder, alle gesund, auch Geld ist genug da. Doch an diesem 29. August kommt Vater Tromp zu der Gewissheit, dass er und seine Familie verfolgt werden. Wir wissen nicht, ob es wirklich einen Verfolger gab, denn bis heute hat die Familie mit niemandem als mit ihren Ärzten und der Polizei geredet, aber wir wissen, was folgte: eine unglaubliche Panikreaktion. Nicht nur der Vater, die ganze Familie stieg in ein Auto und floh. Hals über Kopf, sie liessen die Türen offen und ihr Geld, ihre Handys, ihre Schlüssel und Ausweise zurück. Tausende Kilometer fuhren sie quer durch das Land, bis nach ein paar Tagen, in denen die rätselhafte Flucht die australischen Nachrichten dominiert hatte, erst der Sohn, dann die Töchter, darauf die Mutter und schliesslich auch der Vater verstört und hungrig an unterschiedlichen Orten in Australien wieder auftauchten. Niemand weiss, wie es zu der kollektiven Kettenreaktion gekommen ist, auch nicht die Beteiligten selbst, die Monate der Therapie brauchten, bis sie wieder bei Sinnen waren.

Mich hat diese Geschichte damals fasziniert, weil ich wissen wollte, wie aus einer Angst eine Gruppenpanik mit derart dramatischen Folgen werden konnte. Heute fasziniert mich etwas anderes daran: die Frage, ob es im Augenblick uns allen so geht wie damals der Familie Tromp.

Natürlich ist die Bedrohung durch Covid-19 real. Das Virus produziert Tote, vor allem unter Menschen mit geschwächtem Immunsystem, und es breitet sich rasend schnell aus. Dadurch erhöht sich die Mortalität noch, weil an vielen Orten nicht genug Betten und Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen und Kranke, die hätten gerettet werden können, aus Material- und Personalnot sterben müssen. Das ist eine Tragödie, deren Verlauf wir in Italien und Spanien und den USA mit Schrecken beobachten. Wir lassen alles ruhen, die Wirtschaft, die Schulen und die Erdbeeren im Acker, um zu vermeiden, dass auch bei uns die Schwerkranken in völlig überlasteten Spitälern dahinsiechen und Arztinnen und Ärzte entscheiden müssen, wem sie eine Chance auf Überleben geben und wem nicht.

Es sind Bilder und Berichte, wie wir sie aus Kriegsgebieten kennen. Dem Syrienkrieg zum Beispiel, in dem bislang fast 400'000 Menschen umkamen. Unsere Reaktion darauf war Betroffenheit, während wir schnell die Grenzen vor den fliehenden Syrern schlossen, die versuchten, dem Sterben zu entfliehen. Wir können das Leid der Syrer ganz gut ausblenden, denn dieser Krieg bedroht uns nicht direkt, solange die griechische Küstenwache noch Sprit hat. Doch auch bei uns gibt es tödliche Gesundheitsrisiken, die jeden betreffen.

In Europa sterben jedes Jahr bis zu 650'000 Menschen an der Grippe und 400'000 Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung. Und auch wenn sie zu ihrem frühen Tod selbst beitragen – jedes Jahr tötet der Alkohol drei Millionen Menschen auf der Welt, acht Millionen Menschen tötet das Rauchen. All diese Todesursachen wären drastisch reduzierbar, wenn nicht gar eliminierbar, wenn man auch nur einen Bruchteil der Massnahmen ergriffe, die aktuell unser Leben und unsere Freiheitsrechte einschränken – und dadurch unsere kollektive Panik nur noch schlimmer machen.

Corona zeigt uns, dass die Art und Weise, wie wir auf eine Gefahr reagieren, wenig damit zu tun hat, wie tödlich sie für uns ist.
Denn die leer gefegten Städte, die abgesperrten Spielplätze, die geschlossenen Geschäfte rufen Bilder aus dem kollektiven Gedächtnis ab, die wir aus den Weltuntergangsdramen der Kinogeschichte kennen. In Hollywood wie in Herisau ist die Stille der Stadt der Nährboden der Angst, auf dem sich das Böse, der Virus daranmacht, der Menschheit ihr Ende zu bereiten. Je dramatischer die Mittel, zu denen die politischen Entscheider greifen, desto grösser wird die Furcht – und desto kleiner die Fähigkeit, nüchtern nachzudenken.

Die grausame, aber nötige Frage, die mit der Zeit und den Folgen der Ausgangssperren, dem Shutdown des öffentlichen Lebens und der weltweiten Rezession immer dringender und vernehmbarer wird, lautet: Ist wirklich jedes Mittel recht, um die Todesfälle, die das Virus verursacht, so gering wie möglich zu halten? Reflexhaft will man mit Ja antworten. Natürlich ist es das Wichtigste überhaupt, Leben zu retten. Aber wenn Gesundheit wirklich immer Vorrang hat, warum verbietet man dann nicht sofort den Konsum von Alkohol, der den Körper zerstört, das Verstromen von Kohle, das die Luft toxisch macht, warum gibt es keine Impfpflicht gegen Influenza, an der in einer heftigeren Grippesaison in der Schweiz in einem Winter 2500 Menschen sterben? So viele Tote wären so einfach vermeidbar. Aber wir unternehmen nichs, weil wir für gewöhnlich eben doch wirtschaftlichen Nutzen gegen die Gefährdung der Gesundheit abwägen und uns an die Gefahr gewöhnt haben. Corona dagegen ist neu, es ist unbekannt, und es ist rasend schnell. Corona zeigt uns vor allem, dass die Art und Weise, wie wir auf eine Gefahr reagieren – ob drastisch, massvoll oder gar nicht –, wenig damit zu tun hat, wie tödlich sie für uns ist.

Eine Bedrohung ist die gefühlte individuelle oder kollektive Einschätzung einer Lage; diese Einschätzung richtet sich nicht objektiv nach dem faktischen Risiko, sondern steigt mit unserer Empfänglichkeit für Gefahren, die nicht nur an unserem Immunsystem, sondern – in viel breiterem Umfang und oft unbewusst – an unserer Existenz rütteln. Das Virus löst bei uns auch darum derart bombastische Reaktionen aus, weil es nicht nur in unseren wehrlosen Körpern so gut gedeiht, sondern auch unser fragil gewordenes Weltbild attackiert. Auch wenn das Virus noch nicht die Mehrzahl der Menschen erfasst hat, die Gesellschaft ist längst infiziert. Und nur so lassen sich auch die heftigen Abwehrmassnahmen erklären. Sie gelten nicht allein der Krankheit. Sie gelten – nicht umsonst wird dem Virus militärisch der Krieg erklärt – auch der geistigen Landesverteidigung.

Das Virus ist längst nicht mehr nur ein Erreger einer Lungenkrankheit, es ist in unsere Köpfe eingedrungen.
Dazu gehört, dass das Virus aus China kommt. Hat man anfangs – manche Politiker sprechen ja bis heute vom Wuhan-Virus – Corona als chinesisches Virus, als Chinesenkrankheit 2020 bagatellisiert ( es trifft ja nur Chinesen, so wie Aids damals ja zuerst auch «nur die Schwulen» traf), wuchs das Virus bald zu einem Monster an, das sich anschickt, von China aus, der neuen ökonomischen Supermacht, die Welt zu unterjochen. Noch vor dem Erreger selbst hat uns die Angst vor der Übermacht aus China befallen, begleitet von den klassischen Symptomen des Nationalismus und der Abschottung, wie man an den durchweg isolationistischen und unsolidarischen Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus sieht. Dass die europäischen Nachbarländer einige Wochen gebraucht haben, bis es erste zaghafte Angebote gab, sterbende, aber rettbare Kranke aus norditalienischen Kliniken auszufliegen, ist eigentlich ein Verbrechen, aber auch nur ein Beispiel der vielen nationalen Egoismen zu Zeiten der Coronakrise. Den Beschluss, keine Kinder aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen, wo die Lage ähnlich verzweifelt ist wie in italienischen Krankenhäusern, aus Furcht, sie könnten an Corona erkrankt sein, verkaufen wir uns in Europa als beherzte Massnahme, um die Krankheit zu besiegen. In Wahrheit haben wir damit moralisch bereits vor ihr kapituliert.

Das Virus ist längst nicht mehr nur ein Erreger einer Lungenkrankheit, es ist in unsere Köpfe eingedrungen und zum Träger all der Ängste geworden, die uns seit langem paralysieren. In jedem Land, in jedem Kulturkreis sind das andere. Bei uns gehören Fremdenangst und die Furcht vor dem Verlust der kulturellen Heimat dazu. Dem begegnen wir mit geschlossenen Staatsgrenzen, dem Rückzug auf die eigene Scholle und in die eigenen vier Wände. Geschlossen sind auch Theater, Kinos und Museen, also jene Orte, die einen am ehesten auf andere, fremde Gedanken bringen.

Gegen den Horror einer technisierten Welt, gegen die Überforderung des Digitalen setzen wir die analoge menschliche Disziplin, einander nicht zu berühren. Kein Algorithmus und kein Roboter kann das Virus besiegen, dem der Mensch den Krieg erklärt hat. Und mit analogen Mitteln – sieht man von den Skype-Konferenzen zu seiner Koordinierung ab – werfen wir uns mit einer kollektiven soldatischen Hingabe in einen Kampf, der eine sonderbare Faszination für Helden, Tod und Eskalation offenbart. In den Abendnachrichten und in den Livetickern folgen wir atemlos den stetig steigenden Opferzahlen.

Öffnet das Virus totalitären Methoden Tür und Tor, oder ist es der Tod der Despoten?
Schliesslich exerzieren wir den gefürchteten Imperativ der Umweltbewegung, unser Leben zu ändern, um uns nicht selbst zu zerstören, in einer Art internationaler Gruppentherapie einmal versuchshalber durch. Wir fahren kaum noch Auto, konsumieren weniger und fliegen nicht. Vielleicht hat es der liebe Gott gewollt, dass wir die Katastrophe zunächst in einer Generalprobe üben, bevor sie dann wirklich kommt. Jedenfalls lässt sich die Art und Weise, wie wir, wie fast die ganze Welt auf das Virus reagiert, nicht allein mit dem Virus erklären. Es kann sein, dass diese Reaktionen, dieses grosse Experiment therapeutischen Nutzen hat, aber wenn, wird man den wohl erst viele Jahre später sehen können.

Trotzdem machen sich derzeit viele Leute darüber Gedanken, wie die Welt aussehen wird, wenn alles vorbei ist. Öffnet das Virus totalitären Methoden Tür und Tor, oder ist es der Tod der Despoten? Haben wir uns danach alle lieb, oder gibt niemand mehr einem anderen die Hand? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, wie die Welt momentan aussieht, zu welchem Ort wir sie gemacht haben, mit Massnahmen, von denen niemand beweisen kann, dass sie weniger Schaden anrichten als das Virus. Natürlich gibt es eine Pflicht, die Ansteckungsgefahr zu minimieren und besonders gefährdete Personen zu schützen. Händewaschen, Kontaktreduktion und Homeoffice sind zumutbare, vernünftige und wirksame Methoden, übrigens auch Gesichtsmasken, die in Europa fast kein Mensch trägt. Ausgangssperren sind es nicht.

Hart trifft es die älteren Menschen. Sie sind nicht nur die besonders gefährdeten Personen und müssen mehr als die anderen um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten. Auf vielen lastet noch der zusätzliche Druck, für die Stilllegung des öffentlichen Lebens verantwortlich zu sein. Manche trauen sich nicht mehr aus dem Haus, aber nicht aus Angst, sich anzustecken, sondern weil sie die Blicke der Jüngeren fürchten, durch die sie sich stigmatisiert fühlen. Hinzu kommt die Vereinsamung jener älteren Menschen, die alleine leben. Schwermut, Stress und Bewegungsarmut machen ebenfalls krank. Doch andere, auch tödliche Leiden geniessen derzeit keine Priorität. In der Erwartung übervoller Krankenhäuser werden in vielen Ländern mittlerweile selbst Krebstherapien unterbrochen oder ganz ausgesetzt.

Hart trifft es auch all jene, die ihren Job, die ihre Existenz verloren haben oder damit rechnen müssen. Die schwindelerregenden Summen, die manche Staaten bereitstellen, um der Industrie, dem Mittelstand und Freiberuflern zu helfen, sind gut gemeint und lindern zunächst sicher auch die erste Not. Aber in der weltweiten Rezession, in die wir uns mit unserer Panik vor dem Virus hineinmövriert haben, werden die Einmalzahlungen auch nichts helfen.

Besonders hart sind Familien betroffen, die nicht in grossen Häusern und Jugendstilwohnungen leben und wo es sich die Eltern nicht leisten können, den Ausnahmezustand als erfrischendes Abenteuer zu sehen, das nebenbei noch mehr Zeit mit den Kindern erlaubt und endlich die Gelegenheit, mal den Estrich aufzuräumen. Bei ihnen herrscht Enge, und von Tag zu Tag steigt der Druck, weil die Eltern in Existenzangst geraten. Die Sozialdienste warnen, dass die häusliche Gewalt zunehmen könnte.

Jene, die für immer drastischere und immer länger dauernde Beschränkungen und Separierungsmassnahmen plädieren, sollten sich das Leid, das dadurch bereits jetzt entstanden ist, allerdings sehr genau ansehen.

Denn was sind die Perspektiven? Damit die Massnahmen – möglicherweise – die erhoffte Wirkung entfalten, müssten sie noch über viele Monate in Kraft bleiben. Die australische Familie hat eine Woche gebraucht, bis sie ihre kopflose Flucht vor Erschöpfung aufgab. Wir halten leider viel länger durch.

Das Magazin

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De Don
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Re: Corona

#32 Beitrag von De Don »

Tradition 1886 hat geschrieben: 07.04.20 @ 9:49
De Don hat geschrieben: 06.04.20 @ 14:58
Tradition 1886 hat geschrieben: 01.04.20 @ 20:46 ok, ich lasse es. hoffend dass es so kommt, die welt braucht frieden :!:
Bist du ein QAnon? :o
Q interessiert mich wegen dem Thema Kindsmissbrauch.aber ich will nicht mehr darüber diskutieren und gar nicht mehr daran denken, es ist zu grauenhaft was offenbar passiert. sollten diese sachen tatsächlich stattfinden, hoffe ich dass der hinterste und letzte zur rechenschaft gezogen wird. damit meine ich auch schweizer rentner die nach thailand gehen und dort kinder ficken
https://www.t-online.de/nachrichten/pan ... -netz.html

uhu
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Re: Corona

#33 Beitrag von uhu »

https://nzzas.nzz.ch/international/coro ... ld.1552469


Italien und USA: Basta zu Hause bleiben. Lasst uns Läden plündern
In mehreren Ländern drohen Teile der Bevölkerung zu verarmen. Was das in den USA und in Italien genau heisst.

Marc Zollinger, Rom
18.04.2020, 20.10 Uhr


Die Italiener schlagen Alarm

Marc Zollinger, Rom

«Es gilt rasch zu handeln: Ein grosser Teil des Landes hat Hunger!» So beginnt der offene Brief, den Sandro Ruotolo diese Woche an Regierungschef Giuseppe Conte geschrieben hat. Ruotolo ist erst vor einem Monat für einen verstorbenen Abgeordneten der Cinque Stelle in den Senat nachgerückt.

Die Ereignisse in Italien, insbesondere im Süden des Landes, liessen den als besonnen geltenden Journalisten nun drastische Worte wählen: «Sollten die sozialen Proteste explodieren, sind die Folgen unabsehbar.»

Auslöser für den Alarm sind die zahlreichen Nachrichten über Menschen, die wegen des Lockdown in schwere Not geraten sind: der 80-Jährige, der auf einer Parkbank in Bari weint, weil er seit drei Tagen nichts gegessen hat; das Mädchen, das die Polizei in Bologna anruft: «Mein Vater arbeitet nicht mehr, der Kühlschrank ist leer, bitte helft.»

Besondere Aufmerksamkeit hat kürzlich eine Gruppe von 20 Männern erregt, die am helllichtem Tag einen Supermarkt in Palermo ausraubten. Sie hatten sich in einer Facebook-Gruppe kennengelernt, bei der rund 600 Personen eingeschrieben sind. «Basta zu Hause bleiben. Wir müssen essen», lautete einer der Kommentare. Oder: «Lasst uns Läden plündern, so merken die da oben endlich, dass wir genug haben.»

Der Stadtpräsident von Palermo vermutete zwar, dass «Schakale der Mafia» hinter der Aktion stehen. Doch tatsächlich ist es kein isoliertes Phänomen. Inzwischen haben sich viele ähnliche Gruppen gebildet, die ihrem Ärger Luft machen.

Ein guter Indikator für den Notstand, in dem sich weite Teile der Bevölkerung befinden, ist gerade die Nachfrage nach Gratislebensmitteln. Bei der Stiftung Banco Alimentare (Lebensmittelbank), die schon vor der Krise Esspakete verteilte, ist diese zuletzt um 20 Prozent gestiegen. Im Süden und auf Sizilien sind es teilweise gar über 40 Prozent.

Begehrt sind auch die Lebensmittelbons, die die Regierung im Gesamtwert von 400 Millionen Euro bereitgestellt hat. Die Gemeinden, die nun zu bestimmen haben, wer Gutscheine erhalten soll, werden mit Anfragen überhäuft. Nach Berechnungen des Agrarinstituts Coldiretti sind über 2,5 Millionen Menschen in Italien von Hunger bedroht.

Aber natürlich geht es nicht nur ums Essen. Ohne Einkommen und Notrappen auf der Seite können viele auch nicht mehr ihre Mieten bezahlen. Und die Banken werden überrannt mit Anfragen, ob die Rückzahlung von Krediten ausgesetzt werden könne.

Schon vor der Pandemie gehörte Italien zu den Ländern Europas, die überdurchschnittlich stark von Armut betroffen sind. Laut den neusten offiziellen Zahlen waren es 2018 über 5 Millionen oder 8,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dass daraus ein Pulverfass geworden ist, hat damit zu tun, dass viel neue Armut hinzugekommen ist. Etwa in Familien, die vorher ein kleines, aber regelmässiges Einkommen hatten.

Besonders schwer wiegt nun aber, dass in Italien die Schwarzarbeit so weit verbreitet ist. Schätzungen gehen von 30 Prozent des Bruttosozialprodukts aus, das vor dem Lockdown am Staat vorbei in die Taschen gewirtschaftet wurde. Wer ohne Vertrag dasteht oder nicht als Selbständigerwerbender registriert ist, fällt nun bei der versprochenen Milliarden-Nothilfe zwischen Stuhl und Bank.

Die Amerikaner warten auf Hilfe

Andreas Mink, New York

Covid-19 stürzt die USA in eine Wirtschaftskrise, die an Tempo und Härte ohne Vergleich in der Geschichte ist. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen ist innert eines Monats auf 22 Millionen gesprungen. Landesweit dürfte die Arbeitslosenrate nun von unter 4 Prozent im Februar auf 18 Prozent gestiegen sein. In Michigan erreicht die Arbeitslosigkeit aufgrund von Fabrikschliessungen 25 Prozent.

Dabei geben diese Zahlen die katastrophale Realität nur teilweise wieder. Denn erstens dokumentieren die 22 Millionen nur jene Amerikaner, denen eine Registrierung auf den total überlasteten Servern der Gliedstaaten gelungen ist. Zweitens haben etwa 23 Millionen «gig workers», also etwa selbständige Arbeiter beim Fahrdienst Uber, kein Anrecht auf reguläres Arbeitslosengeld.

Gouverneure wie Jay Pritzker in Illinois kritisieren, dass die Bürokratie in Washington für diese Erwerbstätigen zu spät Richtlinien zur Verteilung von Mitteln geschaffen hat, die zudem restriktiv und viel zu kompliziert seien. Mekela Edwards, die für die Fahrdienste Lyft und Uber in Kalifornien fährt, sagt dazu: «Ich habe bisher keinerlei Hilfe bekommen können und weiss nicht, wie ich das durchstehen kann.»

Am Mittwoch hat die Ausschüttung eines Notgeldes von 1200 Dollar je Bürger begonnen. Sofortige Überweisungen erhalten jedoch nur besser gestellte Steuerzahler, die ihre Bankdaten bereits beim Fiskus angegeben haben.

Die am dringendsten auf Stütze angewiesene Mehrzahl der Bürger muss bis in den Sommer auf das Geld aus Washington warten. Dass Präsident Donald Trump seine Unterschrift auf den «grossen, fetten Checks» setzen will, hat bereits für eine Verzögerung gesorgt.

Viele der neuen Arbeitslosen waren bisher auf Stundenbasis in der Gastronomie oder im Einzelhandel angestellt. Sie haben keine oder nur wenig Ersparnisse. Inzwischen erreicht die Katastrophe aber auch gut Qualifizierte und Selbstständige wie Architekten oder Juristen. Deren Branchendienste vermelden laufend drastische Gehaltskürzungen und Massenentlassungen.

Auch Amerikaner der oberen Mittelschicht tragen häufig hohe Schulden für Immobilien oder das Studium der Kinder. Am Donnerstag kam eine weitere, schlechte Nachricht für Selbstständige: Der vom Kongress geschaffene Topf für Notkredite in Höhe von 349 Milliarden Dollar ist bereits leer. Damit stehen bei kleineren Betrieben neue Entlassungen bevor.

Die Kehrseite dieser Trends sind kilometerlange Autoschlangen vor Essenausgaben, vor allem im vorwiegend republikanisch geführten Süden und Kernland. Dort ist das soziale Netz noch dünner, als im Nordosten oder den Pazifikstaaten.

Immerhin haben es Gouverneure wie Andrew Cuomo in New York Hausbesitzern für zunächst drei Monate untersagt, mittellose Mieter umgehend auf die Strasse zu setzen. Dies ist unter normalen Umständen bei nichtbezahltem Mietzins in den USA üblich.

uhu
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Re: Corona

#34 Beitrag von uhu »

https://www.nzz.ch/feuilleton/coronavir ... ld.1551896

Giorgio Agamben zum Umgang der liberalen Demokratien mit dem Coronavirus: Ich hätte da eine Frage

Ein Land, ja eine Kultur implodiert gerade, und niemanden scheint es zu kümmern. Was spielt sich gerade vor unseren Augen in den Ländern ab, die von sich behaupten, sie seien zivilisiert?

Giorgio Agamben

Wo ist die Grenze, jenseits deren man nicht bereit ist, auf die grundlegenden Prinzipien zu verzichten, die unser Zusammenleben prägen?

Ich möchte mit denjenigen, die Lust dazu haben, eine Frage teilen, über die ich seit einem Monat unablässig nachdenke. Wie konnte es geschehen, dass ein ganzes Land im Angesicht einer Krankheit ethisch und politisch zusammenbrach, ohne dass man dies bemerkte?

Die Worte, die ich gebrauche, um diese Frage zu formulieren, habe ich sorgsam gewählt. Das Mass für die Absage an die eigenen ethischen und politischen Prinzipien ist in der Tat sehr einfach zu finden. Es geht darum, sich zu fragen: Wo ist die Grenze, jenseits deren man nicht bereit ist, auf diese grundlegenden Prinzipien zu verzichten?

Ich denke, der Leser, der sich anschickt, über die folgenden Punkte nachzudenken, kann nicht anders, als zuzustimmen, dass die Schwelle, welche die Menschlichkeit von der Barbarei trennt, überschritten wurde. Und zwar, ohne dass man dies bemerkt hätte oder indem man so tat, als würde man es nicht bemerken.

Drei Punkte

1.) Der erste und vielleicht schwerwiegendste Punkt betrifft die Körper der toten Personen. Wie konnten wir nur im Namen eines Risikos, das wir nicht näher zu bestimmen vermochten, hinnehmen, dass die uns lieben Menschen und überhaupt alle Menschen in den meisten Fällen nicht nur einsam sterben mussten, sondern dass ihre Leichen verbrannt wurden, ohne bestattet zu werden? Dies ist in der Geschichte von der mythischen griechischen Königstochter Antigone bis heute nie geschehen.

2.) Wir haben bedenkenlos hingenommen, wiederum nur im Namen eines nicht näher zu bestimmenden Risikos, dass unsere Bewegungsfreiheit in einem Ausmass eingeschränkt wurde, wie dies zuvor nie in unserem Land geschah, nicht einmal während der beiden Weltkriege (die Ausgangssperre galt damals für bestimmte Stunden). Wir haben also hingenommen, im Namen eines nicht näher zu bestimmenden Risikos die Pflege unserer Freundschafts- und Liebesbeziehungen einzustellen, weil unser Nächster zu einer möglichen Ansteckungsquelle wurde.

3.) Dies konnte geschehen – und hier berühren wir die Wurzel des Phänomens –, weil wir die Einheit unserer Lebenserfahrung, die immer zugleich körperlich und geistig ist, in eine bloss biologische Einheit einerseits und in ein affektives und kulturelles Leben anderseits aufgespalten haben. Der Philosoph und Theologe Ivan Illich hat gezeigt, welche Verantwortung der modernen Medizin in dieser Spaltung zukommt. Sie scheint sich von selbst zu verstehen, in Wirklichkeit ist sie aber die grösste aller Abstraktionen. Ich weiss, dass diese Abstraktion von der modernen Wissenschaft durch Wiederbelebungs-Apparate erreicht wurde, die einen Körper in einem Zustand des vegetativen Lebens zu erhalten vermögen.

Es gibt kein Zurück

Aber wenn sich dieser Zustand – diese Bedingung – über die ihm eigenen räumlichen und zeitlichen Grenzen hinaus ausdehnt, wie man dies heute zu tun versucht, und wenn er zu einer Art Prinzip des sozialen Verhaltens wird, dann gerät man in Widersprüche, aus denen es keinen Ausweg gibt. Ich weiss, dass nun manche gleich antworten werden, beim derzeit geltenden Regime handle es sich um einen zeitlich begrenzten Zustand, nach dessen Ablaufen alles wieder sein werde wie zuvor. Es ist wirklich einmalig, dass man dies wider besseres Wissen dauernd wiederholt.

Wir trügen die Verantwortung für die Kranken, für die Toten, für uns, sagt Giorgio Agamben – aber nehmen wir sie wahr?

Denn dieselben Behörden, die den Notstand ausgerufen haben, erinnern uns ständig daran, dass dieselben Weisungen auch nach dem Ende des Notstands zu befolgen seien und dass das Social Distancing – wie man es in einem vielsagenden Euphemismus nennt – das neue Organisationsprinzip der Gesellschaft darstelle. Und dass das, was man – guten Glaubens oder wider besseres Wissen – zu ertragen akzeptiert hat, nicht rückgängig gemacht werden könne.

Was ist mit der Kirche?

Da ich an die Verantwortung von uns allen erinnert habe, komme ich hier nicht umhin, die noch schlimmere Verantwortung derjenigen zu erwähnen, die die Aufgabe gehabt hätten, über die Würde des Menschen zu wachen. Vor allem die Kirche, die – indem sie sich zur Magd der Wissenschaft gemacht hat, welche mittlerweile zur neuen Religion unserer Zeit geworden ist – ihre wesentlichen Prinzipien radikal verleugnet.

Die Kirche unter einem Papst, der sich Franziskus nennt, hat vergessen, dass Franziskus die Leprakranken umarmte. Sie hat vergessen, dass eines der Werke der Barmherzigkeit darin besteht, die Kranken zu besuchen. Sie hat vergessen, dass die Martyrien die Bereitschaft lehren, eher das Leben als den Glauben zu opfern, und dass auf den eigenen Nächsten zu verzichten bedeutet, auf den Glauben zu verzichten.

Warum schweigen die Juristen?

Eine andere Kategorie von Leuten, die ihren Aufgaben nicht mehr gerecht zu werden vermögen, sind die Juristen. Wir sind seit geraumer Zeit an den leichtfertigen Gebrauch von Notverordnungen gewöhnt, durch die sich die Exekutivgewalt de facto an die Stelle der Legislativgewalt setzt und damit jenes Prinzip der Gewaltenteilung aushebelt, das die Demokratie definiert.

Doch in diesem Fall wurde jede Grenze überschritten, und man hat den Eindruck, dass die Worte des Ministerpräsidenten und des Chefs des Zivilschutzes unmittelbare Gesetzkraft haben, wie man dies einst von den Worten des Führers sagte. Und man sieht nicht, wie entgegen allen Ankündigungen die Einschränkungen der Freiheit – nach Ablauf der zeitlichen Gültigkeit der Notstandsverordnungen – aufrechterhalten werden können. Mit welchen juristischen Mitteln? Mit einem ständigen Ausnahmezustand? Es ist die Aufgabe der Juristen, darüber zu wachen, dass die Regeln der Verfassung eingehalten werden, doch die Juristen schweigen. Quare siletis iuristae in munere vestro? (Warum schweigt ihr, Juristen, wenn es um eure Aufgabe geht?)

Ich weiss, dass es immer Leute geben wird, die sich erheben und antworten werden: Das durchaus schwere Opfer sei im Namen moralischer Prinzipien dargebracht worden. Sie möchte ich daran erinnern, dass Adolf Eichmann – offensichtlich in gutem Glauben («buona fede») – nicht zu wiederholen aufhörte, dass er, was er getan hatte, aufgrund seines Gewissens getan habe, um dem zu genügen, was er für die Gebote der kantischen Moral hielt.

Eine Norm, die besagt, dass man auf das Gute verzichten müsse, um das Gute zu retten, ist ebenso falsch wie die, welche verlangt, dass man auf die Freiheit verzichten müsse, um die Freiheit zu retten.

uhu
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Re: Corona

#35 Beitrag von uhu »

https://www.tagesanzeiger.ch/wir-affen-321888278178

Wir Affen

Die Wärter im Bundesrat sperren uns ein wie Zootiere. Die Regierung scheint sich geradezu in diesen Ausnahmezustand verliebt zu haben.

MEINUNG Markus Somm

Das war ein mutloser, das war ein verheerender Beschluss, den der Bundesrat am Donnerstag gefasst hat. Statt die Normalisierung unseres Lebens nun entschlossen voranzutreiben, weil die sozialen, psychologischen und wirtschaftlichen Kosten jeden Tag horrender werden, ziehen unsere Magistraten es vor, ganz, ganz süferli ihre Untertanen wieder in die Freiheit zu entlassen. Man fühlt sich wie in einem Zoo, wo die Wärter so viel Freude am Überwachen und Einsperren gewonnen haben, dass sie längst nicht mehr nur die Tiere einfangen, sondern auch die Besucher in den Käfig stecken. Wir sitzen neben Affen und Dromedaren und winken hinter Gittern unseren Bundesräten zu.

Warum so zögerlich? Denn was vielleicht am meisten irritiert, ist die Tatsache, dass der Bundesrat kaum eine gute Begründung dafür gibt, warum er nicht rascher öffnet. Wäre es nach Alain Berset gegangen, so ist aus Bern zu hören, hätte das Sonderregime sogar noch länger dauern können – ohne jede wesentliche Lockerung. Unserem freundlich lächelnden Corona-Diktator fällt es offensichtlich schwer, sich von der Macht zu trennen – ein Phänomen, das man aus der Geschichte nur zu gut kennt. Doch auch die übrigen Bundesräte scheinen sich geradezu verliebt zu haben in diesen Ausnahmezustand, wo sie nichts mehr falsch zu machen glauben, weil sie Dinge verantworten, deren Folgen sie nicht spüren.

Es ist ein Zerstörungswerk im Gang, dessen Ausmass wir noch gar nicht abschätzen können

Allein Ueli Maurer, der Finanzminister, stand wie ein Fels in der Brandung und stellte sich einer Welle entgegen, die uns alle unter Wasser setzt. Am Ende ertrank er mit uns. Fest besoldete Politiker entscheiden über die Zukunft des Landes, als ob es nichts Trivialeres gäbe, als eine Volkswirtschaft auf 75 Prozent ihrer Leistung herunterzufahren. Es ist ein Zerstörungswerk im Gang, dessen Ausmass wir noch gar nicht abschätzen können. 4 bis 8 Milliarden Franken, so zeigen Gutachten, kostet uns der Lockdown – jede Woche. Sodass man sich fragt, warum die Bundesräte selbst nicht heftiger erschrecken. Insbesondere, weil auch der Staatshaushalt auf lange Sicht zerrüttet wird. In fünf Wochen haben wir zwanzig Jahre des klugen Sparens im Bund ausgelöscht. Jede Woche, um die das Regime unnötig verlängert wird, fällt ins Gewicht. Jeder Tag zählt.

Gewiss, nun mag der eine oder andere einwenden, es geht um unsere Gesundheit, ja, um Menschenleben. Doch ist das wahr? Als man zu Anfang die Sondermassnahmen einführte, die ich für richtig hielt und heute noch verstehe, erklärte der Bundesrat, das sei nötig, um unser Gesundheitssystem zu schützen. Würde die Kurve der Ansteckungen allzu steil, dann brächen unsere Spitäler zusammen. Zu viele Patienten, bald zu viele Tote. Gerne erinnerte man in diesem Zusammenhang an Italien, wo allerdings ein Gesundheitssystem unter Druck geriet, das seit je nur lausig funktioniert hatte. Vermutlich waren die Ängste schon damals überzogen.

Ein mutloser, ein verheerender Beschluss: Die Bundesräte Guy Parmelin, Simonetta Sommaruga und Alain Berset geben bekannt, wie sie die Schweiz langsam aus dem Lockdown führen wollen

Nun aber ist diese Kurve in der Schweiz flacher geworden, und wir haben die Kapazitäten erhöht: mehr Betten, mehr Beatmungsgeräte, immer noch kaum Masken, jedenfalls bleiben die Spitäler halb ungenutzt. Ein paar wenige Corona-Patienten bevölkern die Intensivstationen, im Unispital Zürich, einem der grössten des Landes, waren es 19 diese Woche, 50 Intensivbetten liegen leer. Mit anderen Worten: Selbst eine zweite Welle, wie man sie befürchtet oder herbeiredet, wäre kaum imstande, uns etwas anzuhaben. Wir könnten damit leben. Denn es bleibt leider gültig, so unangenehm das erscheinen mag: Am Ende müssen wir uns fast alle anstecken oder auf einen Impfstoff hoffen, bis dieses Virus ausstirbt. Es macht Sinn, jene so rasch als möglich wieder in die Schule oder zur Arbeit zu schicken, für die eine Ansteckung kaum ein Problem schafft – also fast alle, die jünger als 60 Jahre alt sind und die unter keinen zusätzlichen Beschwerden leiden. Je länger wir diesen unausweichlichen Prozess hinauszögern, desto mehr kostet uns das und desto mehr ruinieren wir die wirtschaftlichen Grundlagen, die es uns überhaupt erlauben, unsere Kranken zu versorgen.

Es ist ironisch, es ist bitter. Noch nie war der Staat so mächtig. Doch am Anfang stand ein gigantisches Staatsversagen. Wir waren miserabel vorbereitet, weil unsere Politiker das Epidemiengesetz, das ihnen heute so viel Macht gibt, nicht ordentlich umgesetzt haben; allen voran Alain Berset hat versagt. Er hat es versäumt, dafür zu sorgen, dass ausreichend Masken gelagert wurden, wie dies das Gesetz vorsah. Vielleicht behauptet er deshalb so steif und fest, dass Masken gar nichts bringen.

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Tradition 1886
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Re: Corona

#36 Beitrag von Tradition 1886 »

ab 8. Juni wieder Hiltl Dachterrasse. diesen Kafi werde ich geniessen wie kaum einen jemals vorher 8)

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Maho
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Re: Corona

#37 Beitrag von Maho »

https://www.quarantänefanshop.ch

Für alle Alain Berset und Daniel Koch Fans.
1929- HARDTURM I EUSNÄ HERZÄ EUSÄS DIHAI- 2007

uhu
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Re: Corona

#38 Beitrag von uhu »

Ist es richtig, dass wir unsere bürgerlichen Freiheiten wegen Corona komplett aufgeben?

Unsere Vorfahren haben über Jahrhunderte für bürgerliche Freiheiten gekämpft. Haben wir eine Güterabwägung gemacht, als wir diese nun aufgegeben haben – mit völlig unsicherem Ausblick darauf, ob, wann und wie wir sie je wieder zurückerhalten?

Wolfram Klingler

Wollen wir aus Angst vor dem Virus auf alle Freiheiten verzichten?

Nach fast einem Monat Lockdown hat sich der Nebel rund um Covid-19 etwas gelichtet. Die Betten in der Schweiz sind leer geblieben. Inzwischen kommen ganze Kliniken in Not, weil sie ihre Betten für Covid-19-Patienten bereitstellen und leer halten mussten – und kaum jemand kam. Laut BAG hatten 97 Prozent der Verstorbenen eine Vorerkrankung, der Altersmedian der Verstorbenen ist 84 Jahre, der Altersmedian der infolge einer Covid-19-Infektion Hospitalisierten liegt bei 72 Jahren. Die Todesrate ist deutlich niedriger als angenommen, es ist inzwischen klar, dass selbst in Altersheimen 40 Prozent der Infizierten keinerlei Symptome entwickeln – die Anzahl der mit dem Virus Infizierten ist signifikant höher als die Anzahl positiv Getesteter, entsprechend müsste die Mortalität längst nach unten korrigiert werden. Zudem wird jeder, der stirbt und positiv auf Covid-19 getestet wurde, als Covid-19-Toter gezählt, auch wenn die Todesursache eine andere war.


Nie wieder Hände schütteln?

Dass als erste Reaktion ein Lockdown sinnvoll war, ist unbestritten. Und sei es nur, um das Gesundheitssystem auf einen möglichen Ansturm vorzubereiten und die notwendigen Kapazitäten bereitzustellen. Nun kommen erste minime Lockerungen – die teilweise kaum der Rede wert sind. Tausende Selbständigerwerbende sind verzweifelt, weil sie nicht wissen, wie sie Mieten zahlen und ihre Familien ernähren sollen. Die Gastronomie wird umfassend stranguliert, die Wirtschaft teilverstaatlicht. Es ist klar, dass uns Covid-19 noch lange begleiten wird. Inzwischen wird darüber geredet, dass während der nächsten zwei Jahre keine Versammlungen mehr erlaubt werden sollen. Vor ein paar Wochen wurde mit dem Argument, dass keine Versammlungen stattfinden könnten, eine der wichtigsten Abstimmungen zur Europafrage abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Parlament tagt nicht mehr, niemand kann den Bundesrat korrigieren. Ebenso ist die Rede von Tracking-Apps, mit denen die Bürger überwacht werden sollen – Australien diskutiert gar über einen Download-Zwang. Laut dem US-Chef-Epidemiologen Anthony Fauci sollen wir nie wieder Hände schütteln. Die Diskussion um einen Impfzwang mit unsicheren Impfstoffen, die in aller Schnelle entwickelt wurden und deren Hersteller voraussichtlich von aller Haftung für potenzielle Schäden befreit werden, ist bereits im Gange.

Die Wirtschaft wurde so stark gedrosselt, dass laut IMF ein Einbruch wie in der Grossen Depression in den 1930er Jahren die Folge sein könnte. Wie viele Menschenleben hat die Grosse Depression gekostet? Wir alle haben in der Schule gelernt, was nach der Grossen Depression kam. Von wie vielen Menschenleben sprechen wir? Wollen und können wir das riskieren?


Sind sich denn die Virologen und Epidemiologen sicher darin, was der richtige Weg ist? Ist es ratsam, eine Gesellschaft nach einseitigen Rezepten von Spezialisten zu lenken, die einen ganz kleinen Ausschnitt sehen und das grössere Bild ausblenden, in der Vergangenheit oft genug falsch lagen, sich uneinig sind und keinerlei demokratische Legitimation haben?

Haben wir eine sorgfältige Güterabwägung gemacht? Ist es richtig, dass wir unsere bürgerlichen Freiheiten, für die unserer Vorfahren über Jahrhunderte gekämpft haben und für die sie zu sterben bereit waren, wegen Corona komplett aufgegeben haben, mit völlig unsicherem Ausblick, ob, wann und in welchem Ausmass wir diese wieder zurückerhalten? Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der das Leben auf biologisches Überleben ohne bürgerliche Freiheiten reduziert wird?

Menschen mit Vorerkrankungen und Risikogruppen müssen geschützt werden – sofern sie das wollen. Wir können und dürfen nicht einfach alte Menschen gegen ihren Willen wegsperren. Eine Durchseuchung bei gleichzeitigem Schutz der Verletzlichen ist der einzige Weg, mit Corona umzugehen, wenn wir unsere freien demokratischen Gesellschaften bewahren wollen und wenn wir einen ökonomischen Kollaps, eine grosse Depression mit allen Folgeerscheinungen, verhindern wollen.

Freiheit und Sicherheit

Wie konnte es so weit kommen? Zum einen geht es um die nackte Angst – eine Angst, die seit September 2001 kontinuierlich als Grundgefühl unserer Gesellschaft gewachsen ist und die Linie zwischen Freiheit und Sicherheit in den letzten beiden Jahrzehnten massiv zugunsten vermeintlicher Sicherheit verschoben hat und die nun zum Kollaps zu führen droht. Der zweite Grund ist ein moralischer: das Signalisieren, dass man «zu den Guten und Rechtschaffenen» gehöre – auch das ein Trend in unseren Gesellschaften. Wer die Corona-Massnahmen infrage stellt, wird als zynischer Bösewicht abgestempelt, der die Wirtschaft über das Menschenleben stelle.


Wollen wir ein Leben in Freiheit, oder soll der Staat uns vor allen Risiken bewahren und uns unsere Entscheidungen, wie wir mit Risiken umgehen, dauerhaft abnehmen? Wollen wir ein Leben, welches uns fast alles nimmt, was das Leben erst lebenswert macht? Diese Diskussion müsste längst in vollem Gange sein.

https://www.nzz.ch/meinung/pandemie-der ... ld.1552671

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Anna Huna
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Re: Corona

#39 Beitrag von Anna Huna »

Ich bin froh, dass dieses Polizeistaatregime wieder heruntergefahren wird. Die Gesellschaft hat lange genug unter dem Diktat dieser Präventionsfanatiker gelitten.

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kummerbube
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Re: Corona

#40 Beitrag von kummerbube »

Anna Huna hat geschrieben: 30.04.20 @ 16:56 Ich bin froh, dass dieses Polizeistaatregime wieder heruntergefahren wird. Die Gesellschaft hat lange genug unter dem Diktat dieser Präventionsfanatiker gelitten.
Sagte er, währenddem im Bett seine Mutti verzweifelt nach Atem rang, den Ärzten aber ausser der Abgabe von Morphium zur palliativen Behandlung nichts übrig blieb... :|
atticus hat geschrieben: 28.05.21 @ 0:25Aber wahrscheinlich werde ich mich einfach dumm stellen und das Beste hoffen, wie meistens wenn es um GC geht.

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