Gerettet, einfach nur gerettet
Der prominente Aufsteiger jubelt: Er bleibt in der Super League. Trotzdem ist die Saison eine Enttäuschung. Und: Das Projekt GC dürfte ein Flickwerk bleiben.
Marcel Rohner
Publiziert heute um 09:41 Uhr
er (Keystone)
Als sich dieser Abend langsam dem Ende neigt, spricht Giorgio Contini von Erleichterung. Von Stolz und Genugtuung. Es sind einige Minuten vergangen seit dem Schlusspfiff, in der Kabine feiern die Spieler, und der Trainer ist gelöst. Wenn die Fragerunde vorbei ist, geht er nach Hause und trinkt ein Bier.
Continis GC hat St. Gallen geschlagen, 3:2 heisst es am Ende. Es ist ein Spiel, das zur Saison der Grasshoppers passt. Es ist turbulent, es hat schöne Momente und weniger schöne. Das ist jetzt aber unwichtig. Denn: GC ist gerettet. GC ist nicht im Mittelfeld. Schon gar nicht hat es Chancen aufs europäische Geschäft. GC ist einfach nur gerettet.
Man muss das so klar benennen, weil sich die Grasshoppers vor allem zu Beginn der Rückrunde von Woche zu Woche selbst demontierten. Acht Spiele in Folge gewannen sie nicht, die Barrage kam immer näher. Erst bei einem noch ausstehenden Spiel hat GC die Gewissheit, diese Extrarunde nicht gehen zu müssen, weil es eine um 12 Tore bessere Tordifferenz hat als Luzern.
Es deutete während Monaten nichts darauf hin, dass GC zu den Teams gehören würde, die lange zittern müssen. Dieses GC machte in der Hinrunde sogar Spass. Der Aufsteiger schoss einmal vier und einmal fünf Tore gegen St. Gallen, er lieferte ein Spektakel gegen den FCZ, er erkämpfte sich wacker Punkte gegen den FCB und YB.
Morandi löste die Probleme von Contini
Im Dezember lagen die Grasshoppers auf Rang 5 der Tabelle. Das war verlockend und veranlasste die Führung um Geschäftsführer Shqiprim Berisha und Sportchef Seyi Olofinjana, auf dem Transfermarkt Experimente durchzuführen – mit geringem Erfolg. Von den Neuen überzeugte nur Ayumu Seko. Der Weggang von Toti Gomes konnte nie kompensiert werden.
Dass mit Petar Pusic ein wichtiger Offensiver bis zum Saisonende ausfallen sollte, war nicht absehbar. Die darauf folgende Baisse zeigte aber, dass das Kader auf einigen Positionen zu breit und auf anderen zu schmal besetzt war. Erst Giotto Morandi löste dieses Problem, als er von seiner Kreuzbandverletzung zurückkehrte. Mit ihm in der Startformation verlor GC nur noch einmal.
Die Führung hat aber auch ein Lob verdient, weil sie nichts überstürzte und Contini in dieser schlechten Phase zwischen Februar und April nicht fortschickte. Es gab Gerüchte, der Trainer soll angezählt gewesen sein. Am Ende aber ist es auch ihm zu verdanken, dass es nun nicht zur Barrage kommt. Contini blieb entspannt, er sagt, das Schlimmste wäre gewesen, wenn er noch in Panik verfallen wäre.
er (Keystone)
Contini mag den offensiven Fussball, er lässt schnell umschalten, wenn seine Spieler den Ball erobern. Noch rechtzeitig erkannte er, dass ihm dafür ein Element fehlt, jenes, das Pusic in der Hinrunde ins Spiel brachte, Unberechenbarkeit, gepaart mit viel Tempo. Contini stellte um, Verteidigung war nun die beste Verteidigung. Das GC des Frühlings stand tief, machte die Räume enger, nach einer Serie mit acht Spielen ohne Sieg kam eine mit acht Spielen mit nur einer Niederlage. Sie rettete den Aufsteiger.
«Ein Schatten aus vergangenen Tagen»
Das Wort Aufsteiger begleitete GC nun eine Saison lang, das wird bald nicht mehr so sein, weil ein Nachfolger kommt. Ohnehin war GC nie ein normaler Aufsteiger. Dafür ist die Marke GC zu gross und der Club finanziell zu gut abgesichert. Und so ist dieser siebte oder achte Rang, den es geben wird, dann eben doch eine Enttäuschung.
Präsident Sky Sun sagte einmal, er wolle innerhalb von fünf Jahren an der Spitze der Super League sein, so gesehen ist diese Saison ein verlorenes Jahr, weil GC kaum weiter ist als im vergangenen Sommer. Die Partnerschaft mit den Wolverhampton Wanderers bringt vereinzelt aufregende Spieler wie Gomes oder Bendeguz Bolla nach Zürich, aber auch solche, die in der Super League nie Fuss fassen.
Bolla gehört zu den Spielern, die GC wohl verlassen werden. Hayao Kawabe könnte bleiben. Bruno Jordão wird nicht gebraucht, auch der Leihvertrag mit Léo Bonatini läuft aus. Und sonst? Der Campus in Niederhasli wird auch in diesem Sommer zum Umschlagplatz werden. Insgesamt elf (Leih-)Verträge enden, darunter auch jene von Allan Arigoni und Ermir Lenjani, dem besten Vorbereiter des Teams.
Diese lebhaften Transfersommer gehören zum Projekt, in dem GC jetzt nun einmal ist. Es sorgt in der Liga für Argwohn und etwas Spott. «Die Seele nach China verkauft, gesteuert aus England und Spiele vor leeren Rängen: Ihr seid nur noch ein Schatten aus längst vergangenen Tagen», steht am Donnerstag auf Transparenten der St. Galler Fans. Solches müssen sich die Verantwortlichen bei GC gefallen lassen.
Auch die eigenen Anhänger stehen dem Projekt nicht nur wohlwollend gegenüber, sie wollen mehr Klarheit. Der Zuschauerschnitt ist nach wie vor bescheiden. Im Heimspiel gegen Sion ist in der GC-Kurve zu lesen: «Transparenz. Oder müssen wir es auf Chinesisch übersetzen?» Am Donnerstag legte Sun Blumen vor die Kurve, um mit ihr eines verstorbenen Fans zu gedenken. Es ist eine schöne Geste und zumindest eine kleine Annäherung.
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