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«So verrückt, dass es schon wieder richtig gut ist»
Russland statt GC: Moritz Bauer erklärt seinen viel diskutieren Wechsel zu Rubin Kasan.
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Ein neues Abenteuer: Moritz Bauer steigt morgen mit Rubin Kasan in die russische Liga ein.
Russland? Russland! Moskau? Kasan! Wo liegt Kasan überhaupt? Und was hat diese Stadt eigentlich zu bieten? Manch grauer Betonklotz, Kälte, wenig Reizvolles. «Vermutlich stellen sich das viele so vor», sagt Moritz Bauer. Aber er korrigiert: «Ich bin positiv überrascht von dem, was ich bisher gesehen habe. Ich finde es herrlich.» Und Sommer ist es auch. Bis zu 30 Grad sind es an diesem Donnerstag.
Bauer, 24, war bis vor kurzem Profi bei GC. Nun ist er gerade daran, einen neuen Haushalt einzurichten – 800 Kilometer östlich von Moskau in einer Stadt mit 1,17 Millionen Einwohnern und prächtigen Bauten. Sein Wohnhaus steht zentral, aus der siebten Etage hat er freien Blick auf den Kasaner Kreml und das moderne Stadion seines Arbeitgebers, das für die WM 2018 gebaut worden ist. Vor ein paar Wochen ist Bauer hierhin gezogen, er hat einen Fünfjahresvertrag bei Rubin unterschrieben. Der Zehnte der vergangenen Saison und Meister von 2008 sowie 2009 ist eine prominente Sportgrösse, eine andere sind die Eishockeyaner von AK Bars.
Natürlich hat er mitbekommen, wie einige in seinem Umfeld die Nase rümpften und fragten: «Was um Himmels willen soll dieser Wechsel?» Es war nicht so, dass Bauer von Rubin hörte und spontan dachte, dass er genau darauf gewartet hat. Bevor er unterschrieb, flog er in die Hauptstadt der Republik Tatarstan, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Er traf die Verantwortlichen, lernte den neuen spanischen Trainer Javi Gracia kennen und schätzen, war beeindruckt vom grosszügigen Trainingsgelände mit feudalen Zimmern für die Spieler, und in ihm wuchs die Überzeugung: «Das ist etwas für mich.» Natürlich erleichterte ihm auch der finanzielle Faktor den Entscheid. Der Rechtsverteidiger steigt in eine klar höhere Lohnklasse auf. Und GC profitiert ebenfalls. Der Club nimmt mehrere Millionen Franken ein.
Der Pilot hat sich aus der Komfortzone bei GC verabschiedet
Im Januar noch sah es nicht danach aus, als würde sich Bauer auf ein solches Abenteuer einlassen. Er verlängerte bei den Grasshoppers seinen Vertrag bis 2019 und kam regelmässig zu seinen Einsätzen. Aber im Frühjahr kam doch der Wunsch nach einer Veränderung auf. Es gab «sehr interessante Angebote», sagt der Winterthurer, aber für einen Neugierigen wie ihn war nichts geeigneter als eben Rubin Kasan.
Bauer, der nach dem KV auch die Ausbildung zum Privatpiloten abschloss, sagt: «Ich fühlte mich vielleicht zu wohl bei GC, wollte raus aus der Komfortzone und eine neue Herausforderung annehmen.»
Nun muss er sich an eine neue Mentalität gewöhnen, an eine neue Sprache. Aber das empfindet er nicht als Last, er sieht es als Horizonterweiterung. Wenn Bauer durch Kasan spaziert, lernt er täglich, indem er versucht, kyrillische Begriffe zu entschlüsseln. Die fussballtechnischen Begriffe versteht er bereits.
Hoffen auf eine «coole Erfahrung»
Bei Rubin ist er einer von vielen Neuen, einer von vielen Ausländern auch, von denen maximal sechs gleichzeitig eingesetzt werden dürfen. Bauer klammert sich nicht an falsche Hoffnungen: «Natürlich will ich mich durchsetzen. Aber wenn ich in der Vergangenheit ein gutes Gefühl hatte, kam es vor, dass ich auf die Bank musste. Ich habe aufgehört, Pläne zu machen, gebe mein Maximum – und hoffe auf eine coole Erfahrung.»
Morgen startet er mit Rubin in die neue Saison mit einem Heimspiel gegen Amkar Perm, danach steht die Reise nach Tula an, 800 Kilometer Luftlinie entfernt. «Was ich erlebe», sagt Bauer, «ist so verrückt, dass es schon wieder richtig gut ist.» Dann muss er los, Pfannen kaufen. Seine Leidenschaft Kochen lässt ihn auch in Russland nicht los.