Sicarius hat geschrieben: ↑14.09.20 @ 21:20
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tagi hat geschrieben:«Wir schenken euch einen Garten, ihr gebt uns den Hardturm zurück»: Ein paar GC-Fans haben kürzlich eine originelle Aktion gestartet. Sie sammeln Geld für Hochbeete, um sie den Brachennutzerinnen und -nutzern zu übergeben – wenn es ein Ja gibt am 27. September. Stand Sonntagabend sind es bereits 16,5 Hochbeete.
Die IG Freiräume, welche die Stadionvorlage bekämpft, hat Sympathien für die Idee – aber nicht für ein Ja. Deshalb kontert die IG mit einem Gegengeschenk: Falls das Volk Nein sagt, erhalten die Fans einen «richtig schönen Töggelikasten», wie IG-Sprecherin Lisa Kromer sagt.
An einem solchen Kasten, parkiert mitten in den wilden Hardturmbrachen-Gärten, treffen wir Kromer und Hochbeet-Initiant Lukas Krebs. Sie spielen, es geht hin und her, beide erzielen Tore.
Frau Kromer, Sie kämpfen für die Brache…
Lisa Kromer: ...es geht uns nicht darum, den Garten zu erhalten, sondern um Stadtentwicklung. Man kann doch nicht Tiefgaragen und gigantische Türme bauen, nur um dürstenden Fussballfans ein Stadion zu schenken.
Lukas Krebs: Dieses Areal ist seit mehr als 100 Jahren Fussballgebiet. Das Projekt ist ein guter Kompromiss mit Wohnraum für 1500 Menschen und vielen freien Aussenräumen, welche das ganze Quartier nutzen kann. Zudem kostet es den Steuerzahler so gut wie nichts.
Kromer: Es ist nicht gratis: Die Stadt verzichtet auf 1,7 Millionen Franken Baurechtszins. Ausserdem kostet der ungenutzte Letzigrund die Steuerzahler 11 Millionen pro Jahr.
Das Letzigrunddefizit liegt heute in ähnlicher Höhe. Und gemäss Stadt steigt es nicht, weil der Aufwand sinkt.
Kromer: In 92 Jahren kommt der Heimfall der Wohntürme an die Stadt, was viel kosten wird.
Krebs: Oder auch nichts.
Kromer: Dann muss die Stadt den Abriss finanzieren.
Das Finanzkonstrukt hat das Stimmvolk bereits gutgeheissen.
Kromer: Okay, sprechen wir über die Freiflächen. Das wird aussehen wie beim Prime Tower, da ist keine Aufenthaltsqualität. Die Leute brauchen aber Grünflächen. Die Hochhäuser sind eine energetische Katastrophe. ETH-Ingenieur Norbert Novotny hat für uns ausgerechnet, dass man mit der grauen Energie für den Turmbau 6000 Minergiewohnungen während 50 Jahren beheizen könnte – also ganz Zürich-West.
Möchten Sie denn keine Wohnungen?
Kromer: Doch. Uns schwebt eine gemeinnützige Blockrandsiedlung für 2000 Personen vor, mit viel Grünraum in der Mitte.
Krebs: Bei einem Nein zu «Ensemble» kommt es anders. Die Credit Suisse kann dann nach Gutdünken bauen, und sie wird sicher keine Genossenschaft hinstellen.
Kromer: Wenn die Bank Rendite will, muss sie in die Höhe bauen. Und dann braucht sie erneut einen Gestaltungsplan, den der Gemeinderat bewilligen muss. Wir möchten ohnehin, dass die Stadt das Land definitiv kauft.
Krebs: Das wird aber sehr teuer. Der Immospezialist Wüest und Partner geht laut NZZ von «konservativ geschätzten» 300 Millionen aus, nur für das Land. Dazu müsste die CS auch noch einwilligen. Wie viel würde denn Ihre Siedlung kosten?
Kromer: Wir gehen von 200 Millionen aus, welche die Genossenschaften finanzieren würden.
Was die Genossenschaftssiedlung zu einem 500-Millionen-Projekt machen würde…
Krebs: ...und ein Stadion hätten wir damit nicht.
Kromer: Das Drittelsziel für gemeinnützige Wohnungen steht in der Gemeindeordnung und ist nicht gratis, das ist klar. Aber die 500 Millionen sind zu hoch. Von den 300 Millionen fürs Land hat die Stadt 50 Millionen bereits bezahlt. Übrigens existiert schon ein Stadion.
Krebs: Der Letzigrund ist kein Fussballstadion.
Kromer: Er wurde für die Fussball-EM 08 gebaut. Vielleicht braucht es ein paar bauliche Massnahmen, um ihn Fan-tauglicher zu machen. Für mich stehen Stadtentwicklung und ökologische Ziele über dem Fussball.
Krebs: Fussball hat eine starke soziale Komponente. Als ich 8 Jahre alt war und mit Kollegen Fussball spielte, stiess ein Bub zu uns. Er kam direkt aus dem Kriegsgebiet in Kosovo und sprach kein Wort Deutsch. Heute ist er ein sehr guter Freund und bestens integriert.
Kromer: Das anerkenne ich. Aber dafür braucht es nicht den ruinösen Wettbewerb des Profifussballs. Es braucht nur einen Ball und ein Feld – so eines haben wir hier auf der Brache.
Krebs: Der Fussball hat eine grosse Kraft. Ich bin überzeugt, dass Profifussballer wie Manuel Akanji oder Xherdan Shaqiri, die ihre Wurzeln ausserhalb der Schweiz haben, für eine bessere Akzeptanz von Ausländerinnen und Ausländern sorgen.
Apropos Ausländer: Die IG Freiräume empört sich in einer Mitteilung, dass der chinesische GC-Präsident Sky Sun in einer Videobotschaft für das Stadion wirbt. Warum sollte er das nicht dürfen?
Kromer: Herr Sun ist ein regimetreuer Mann und vertritt mit seiner Firma die Interessen des chinesischen Staats. Das ist eine ausländische Einmischung in einen demokratischen Prozess in der Schweiz.
Krebs: Das ist an den Haaren herbeigezogen. China interessiert sich doch nicht für ein Zürcher Fussballstadion.
Kromer: Stimmt. Es geht China nicht ums Stadion, sondern um Einfluss und künftige Geschäfte. Der Staat, der Menschenrechte mit Füssen tritt, ist auf Expansionskurs in der Schweiz.
Was sagen Sie zum chinesischen GC, Herr Krebs?
Krebs: GC ist ohne Stadion heimatlos und hatte grosse Geldprobleme. Ich war froh, dass es eine Lösung gab, auch wenn die Kommunikation aus China nicht immer optimal war. Für das weitere Überleben des Clubs braucht es aber das Stadion.
Kromer: Und was passiert, wenn das Stadion gebaut wird, und GC und der FCZ überleben nicht?
Krebs: Immerhin gibt es dann die 750 Wohnungen. Das Stadion fällt an die Stadt, die damit tun kann, was sie will.
Kromer: Der kommerzielle Männerfussball stösst einfach an seine Grenzen.
Fussball als Auslaufmodell?
Kromer: Ich habe dicke Fragezeichen. Die Schere zur europäischen Konkurrenz geht immer weiter auf.
Krebs: Dank des Stadions könnte es mit dem Zürcher Fussball wieder aufwärtsgehen. Ich habe noch eine Frage an Frau Kromer: Geben Sie Ihren Widerstand auf, wenn es am 27. September ein Ja gibt?
Kromer: Die IG Freiräume wehrt sich nur politisch. Für rechtliche Schritte fehlt ihr das Geld.