Wunderbar geschrieben! Das alte Haus von Rocky Docky:Fuessballer Moldovan hat geschrieben: ↑04.06.25 @ 8:52 Zum Abschluss einer weiteren absolut fantastischen Saison nehme ich mir als merklich kleinlauter gewordener «Konstruktler» der ersten Stunde die Freiheit heraus, eine kleine Polemik zum Besten zu geben.
Sie handelt von einem erfolgreichen und gut betuchten Geschäftsmann aus einer Weltmetropole, der in den "Swiss Alps" ein rustikales Chalet an bester Lage erwirbt. Weil seine Nachbarn auch schon eines haben und ständig davon schwärmen. Weil man das in seinen Kreisen halt so macht.
Mit grossen Worten stellt er sich der neuen Nachbarschaft vor und erzählt jedem und jeder unaufgefordert, weshalb er das Landleben und die urchigen Traditionen im Ort so toll findet und welch grosse Pläne er mit dem geschichtsträchtigen, aber sichtbar in die Jahre gekommenen Haus hat.
Als erste Massnahme wird kurzerhand die alte Eiche im Garten gefällt. Weil sie zu viel Schatten macht. Das weiss er selbstredend schon, bevor er je eine Minute auf der Veranda verbracht hat. Dann werden die Jagdtrophäen in den Keller gestellt und die alten Schwarz-Weiss-Bilder von den Wänden genommen. Und ein neuer Anstrich muss her. Natürlich wird hierfür nicht der lokale Maler beauftragt. Denn der hat ja schliesslich keine Ahnung, welche Farbtöne international gerade so en vogue sind.
Weil er sich nicht um alles selber kümmern kann, stellt der neue Eigentümer jemanden an, der vor Ort zum Rechten schauen soll. Allerdings nicht den gut vernetzten Liegenschaftenverwalter aus der Gegend, den ihm die Einheimischen empfohlen haben. Stattdessen hört er auf den Rat des Leiters des Europageschäfts seiner Firma, der ihm einen alten Bekannten aus Studienzeiten vermittelt. Der hat ja schliesslich auch mal was mit Immobilien gemacht. Ist zwar schon eine Weile her und war auch eher so was in Richtung Sachbearbeiter, aber dafür in einer renommierten Firma.
Aus dem gross angekündigten Vorhaben des frischgebackenen Chaletbesitzers, jedes zweite oder dritte Wochenende herzufliegen und mehrere Wochen Ferien hier zu verbringen, wird dann nichts. Er hat halt auch viel zu tun daheim. Und die ständige Reiserei ist strapaziöser und das Landleben doch ein wenig langweiliger als gedacht. Ausserdem kann man ja so vieles per Videocall erledigen heutzutage.
Auch hat er die laufenden Kosten unterschätzt, die so ein Zweitwohnsitz mit sich bringt. Dabei hat er doch vor seinen Freunden noch damit geprahlt, vor dem Kauf alles genauestens durchgerechnet zu haben. Und die Bausubstanz ist auch in wesentlich schlechterem Zustand als erwartet, ständig zieht es irgendwo rein. Dabei hat er doch so betont, vor dem Vertragsabschluss alles bis ins kleinste Detail durchleuchtet zu haben.
Völlig unerwartet machen dann die vom neuen Verwalter überwiegend temporär angeheuerten Handwerker aus Osteuropa keinen guten Job. Es zieht weiterhin durch alle Ritzen. Und da und dort spriesst nun auch schon der Schimmel. Weil auf die Schnelle keine anderen kostengünstigen Handwerker zu bekommen sind, wird deren Vorarbeiter entlassen. Und weil man für diesen keinen valablen Ersatz in der Hinterhand hat, erinnert sich der Verwalter an einen Freund aus Jugendzeiten. Der hat es zwar laut Lebenslauf auf keiner Baustelle lange gemacht, aber dafür sei er ein «harter Hund», wie man so hört.
Doch auch unter dessen Leitung wird weiterhin ganz biederes Handwerk abgeliefert. Die Mängel werden nicht weniger. Und der neue Eigentümer hält sich nun noch seltener in seinem baufälligen Chalet auf. Lieber tritt er auf internationalen Konferenzen auf. Dort spöttelt er in den Konversationen mit Seinesgleichen gerne über die konservativen Dorfbewohner, zeigt sich verblüfft über die vielen Feiertage, die es dort gibt, und entrüstet über die Vorbesitzer, die sein schönes Ferienhaus so haben verkommen lassen.
Erst als das Gebäude schliesslich gar einzustürzen droht, erinnert er sich daran, dass irgendwo noch die Visitenkarte des ortskundigen Immobilienverwalters herumliegt, und ruft ihn an. Gerade noch rechtzeitig. Denn diesem gelingt es tatsächlich, das Schlimmste abzuwenden. Indem er dem längst ziemlich ratlos wirkenden Vorarbeiter die Vorgabe macht, auf die motivierten Handwerker zu setzen anstatt auf ihre talentierteren, aber lustlosen Kollegen.
Die im Laufe der Jahre immer weniger gewordenen Einheimischen, denen das altehrwürdige Chalet, einst das Prunkstück einer ganzen Region, noch am Herzen liegt, beginnen wieder zu hoffen. Auf bessere Zeiten. Einmal mehr. Hoffentlich endlich einmal zu Recht.
Dieses Haus hat faule Schimmel, und der Sturm der macht es krank,
und die alten morschen Balken waschen Schnee und Regen blank.
Dieses Haus hat keine Farbe, und der Rost, der nagt und frißt,
bis das ganze Haus ein einz'ger Rostfleck ist.
Das alte Haus...
Dieses Haus ist voller Stimmen, die kein Sterblicher versteht,
dieses Haus ist voller Seufzer, wenn der Nachtwind es umweht.
Dieses Haus hat viele Türen, doch nicht eine führt hinaus,
denn wer drin ist, der bleibt drin in diesem Haus.
Dieses Haus will ich bewohnen, komm vom Wandern ich zurück,
denn das Haus ist voller Wunder und voll heimlicher Musik.
Alle Sterne hör ich singen, und die Schatten am Kamin
gleiten zu den Räumen meiner Jugend mich.