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Den Grasshoppers steht ein wichtiges Derby bevor. Trainer Tomas Oral entschuldigt sich für seine Abreise nach der Pleite in Winterthur. Und die Chefs? Die schweigen weiter.
Marcel Rohner
Marcel Rohner
Publiziert heute um 19:00 Uhr
Die Grasshoppers sind zurück im Stadtzentrum. Was viele freut, ist für den Trainer etwas mühsam. Der neue GC-Hauptsitz an der Zürcher Schifflände ist schmuck, und er liegt zentral. Für Tomas Oral aber sind Pressekonferenzen, die hier stattfinden, auch immer mit einer kleinen Anreise verbunden. Weil er den Rest des Tages in Niederhasli auf dem Campus verbringt.
Darum sagt er gleich zu Beginn: «Erst mal freut es mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind, so hat es sich wenigstens gelohnt rauszufahren.» Nur ist der Grund für den verhältnismässig tatsächlich grossen Auflauf – es sind acht Leute da – für ihn nicht nur erfreulich. Denn es geht bei GC in diesen Tagen auch um seine Position.
Die Grasshoppers sind im Sinkflug, sie haben gerade zweimal nacheinander gegen den Tabellenletzten Winterthur verloren und dabei kein Tor erzielt. Sie sind Zweitletzte, und es steht ein Stadtderby an. Es gab schon Tage, an denen es einfacher war, GC-Trainer zu sein. Aber Humor hilft schliesslich in vielen verzwickten Situationen.
Alain Sutter redet noch nicht
Oral, gekommen mit viel Erfahrung aus der 2. und der 3. Liga Deutschlands, hatte zu Beginn einen Lauf. Im November stiess er zu GC, im Februar verlor er erstmals in der Super League. Und immer wieder hatten Beobachter der Liga das Gefühl: Diese Grasshoppers wird es schon nicht erwischen.
Nun sind sie aber da, auf diesem elften Rang, es gibt nur noch wenige Möglichkeiten, wie diese Saison für sie endet. Mit einer knappen Rettung, mit einer gewonnenen oder verlorenen Barrage gegen Aarau oder mit dem direkten Abstieg. Man muss gerade lange nach Argumenten für die erste Variante suchen.
Das hat vor allem mit dem Auftritt in Winterthur zu tun, der haften bleibt. Es war eine schwache Darbietung. Und Oral danach schnell weg. Er fuhr nach Frankfurt, um bei der Hochzeit seiner jüngeren Schwester dabei zu sein. Die Pressekonferenz nach dem Spiel liess er darum aus, nun sagt er, er habe nicht gewusst, dass es eine geben würde. Ausserdem habe niemand nach ihm gefragt. Es tue ihm leid, dass es so dumm gelaufen sei.
Oral sagt auch: «Ich ducke mich nicht weg, und ich verstecke mich nicht.» Dafür herrscht sonst Stille im Verein, der Teil des Konstrukts um den Los Angeles FC ist. Anfragen für Interviews mit den Verantwortlichen über Oral, also mit GC-Präsidentin Stacy Johns oder Europa-Chef Harald Gärtner, werden gerade lieber abgelehnt.
Auch Alain Sutter redet noch nicht. Er, der einst grosse Erfolge feierte mit den Grasshoppers und für den Verein 262 Spiele bestritt, ist seit Montag offiziell Sportchef; er folgt damit auf Stephan Schwarz, dessen Leistungsausweis am Ende bescheiden war. Die Spieler erfuhren zumindest von der Freistellung von Schwarz aus Medienberichten.
Auch Oral wusste nichts, er sei überrascht gewesen, als er die Nachricht erhalten habe, sagt er. «Keine Frage, weil es ja auch ein bisschen ungewöhnlich ist in dieser Situation, normalerweise, das habt ihr ja geschrieben, geht der Trainer.» Nun traf er am Montagabend erstmals auf Sutter und tauschte sich mit ihm aus.
Es geht um die Zukunft der Grasshoppers
Wie es mit Oral weitergeht, ist eine der zentralen Fragen, die Sutter nun beschäftigen. Es ist kaum vorstellbar, dass GC, zumindest im Fall des Ligaerhalts, mit Oral weitermachen wird. Nur: Darf er bis zum letzten Abpfiff bleiben, oder muss er schon vorher gehen?
Oral sagt, er beschäftige sich nicht damit, mehr noch: «Es wäre schwachsinnig, wenn ich mich mit einer solchen Frage beschäftigen würde.» Was soll er auch anderes sagen?
Für Oral geht es nun darum, ein Derby gegen den FC Zürich zu gewinnen. Das Derby ist das Spiel, in dem es bekanntlich immer um etwas mehr geht, um Stolz und Ehre, solche Dinge eben, die gerne und etwas zu oft zelebriert werden. GC kann sich eine Niederlage nicht erlauben.
Eigentlich war das gegen Winterthur nicht anders. Und doch lief GC in dieses 0:2, ohne sich gross dagegen zu wehren. Auch Oral sieht das so, zumindest was die letzte halbe Stunde betrifft. «Der eine oder andere muss noch einmal ein bisschen zulegen, wir müssen vielleicht noch aggressiver, vielleicht noch ein bisschen dreckiger spielen.»
In diesem Abstiegskampf kann er sich das «Bisschen» und das «Vielleicht» sparen. Es geht um nichts anderes als um die Zukunft dieses Vereins. Das war auf dem Platz nicht zu sehen, in beiden Spielen gegen Winterthur, a) weil es nicht alle verstehen oder b) weil es den meisten nicht so wichtig ist wie zum Beispiel Captain Amir Abrashi.
Viele Spieler werden die Grasshoppers verlassen, wenn diese Saison vorbei ist, fast 20 Verträge laufen aus. Das sei nicht sein Thema, sagt Oral. Dann ergänzt er noch: «Der eine oder andere will gar nicht hierbleiben.» Darum sei es mühselig, darüber zu reden.
Stimmt natürlich, damit muss sich Sutter befassen. Aber es hilft eben auch nicht. Nochmals: Es gab schon Tage, an denen es einfacher war, Trainer der Grasshoppers zu sein.